WN 26.05.2024: Cactus Junges Theater zeigt „Push & Pull“ im Pumpenhaus

Junge Wolke auf der Flucht

Von Helmut Jasny

Münster – Um verschiedene Facetten von Flucht geht es im aktuellen Stück des Cactus-Theaters: Flucht vor Krieg, aber auch vor Verantwortung oder dem Erwachsenwerden. Auf die Bühne geschwemmt wird das siebenköpfige Ensemble in einer Badewanne.

Auf die Bühne geschwemmt kommt das Ensemble in einer Badewanne, die mit Rädern und einem Duschvorhang ausgestattet ist Foto: Ralf Emmerich

Es gibt einen Witz, in dem der Vater seinem Sohn erklärt, dass er sich zwei Wörter merken muss, weil sie ihm im Leben viele Türen öffnen werden. Es ist nicht „bitte“ und „danke“, wie der Sprössling vermutet, sondern „drücken“ und „ziehen“. Diesen Witz mag das Cactus-Theater im Kopf gehabt haben, als es seine neue Produktion „Push & Pull“ genannt hat. Denn um Türen, die es zu öffnen gilt, geht es auch hier. Und noch um einiges andere. Am Freitag hatte das von Lukas Lanzrath und Lynn Albert-Efsing in Szene gesetzte Stück im Pumpenhaus Premiere.

Auf die Bühne geschwemmt kommt das siebenköpfige Ensemble in einer Badewanne, die mit Rädern und einem Duschvorhang ausgestattet ist, sodass sie für unterschiedliche Schauplätze herhalten kann. Einer davon ist eine Ausweisbehörde, bei der ein junger Mann einen deutschen Pass zu beantragen versucht und immer wieder in kafkaesk anmutende Situationen gerät – angefangen beim problematischen „ç“ in seinem Namen, bis hin zu Formularen, die man dank Digitalisierung zu Hause herunterladen kann, dann aber ausdrucken, von Hand ausfüllen und persönlich abgeben muss.

KI generiert passgenaue Ausreden
Dieser mit erfrischender Komik angereicherte Handlungsstrang ist in mehrere Einzelszenen aufgeteilt und zieht sich wie ein roter Faden durch das Stück. Dazwischen gibt es eine Vielzahl weiterer Szenen, die sich alle mehr oder weniger mit dem Thema Flucht auseinandersetzen. Und zwar im weitesten Sinne. Neben Flucht vor Krieg und Verfolgung stehen auch Flucht vor Verantwortung, Flucht vor dem Erwachsenwerden und Ausflüchte aller Art auf dem Programm.

Zugegeben, nicht jede Szene ist gleich gut gelungen. Als originell erweist sich aber die Fluchtgeschichte einer jungen Wolke, die in ein fremdes Land geweht wurde und Mama und Papa Wolke nicht nachholen darf, weil die zu alt für einen ordentlichen Regen sind. Ebenfalls ein guter Einfall ist die Software, die mithilfe von künstlicher Intelligenz passgenaue Ausreden generiert. Oder der Wachmann, der die Zuschauer in der ersten Reihe anraunzt, hier Platz zu machen, und seine Befugnis mit den Worten untermauert: „Ich habe die Gesetze nicht gemacht, aber es gibt einen Grund.“ Zusammen mit dem originellen Bühnenbild und dem engagierten Spiel der jungen Darsteller ergibt das dann doch eine sehenswerte Aufführung.