In seiner neuen Produktion „Lüg mir dreckig ins Gesicht, mein Schatz“ wird das Cactus-Theater grundsätzlich und bietet dafür nicht nur ein 14-köpfiges Ensemble auf, sondern holt sich auch noch Hilfe von außerhalb. Strategisch auf der Bühne (Manuel Talarico) verstreute Bücher unterschiedlichster Autoren zeugen davon. Zudem ist das von Lennart Aufenvenne zusammengebaute und von Sarah Giese in Szene gesetzte Stück selbstreferenziell, indem es seine eigene Entwicklung zum Thema hat. Wird also kein einfacher Abend. Im Mittelpunkt steht Mike, ein junger Schauspieler, der dem Publikum seine Biografie näherbringen will. Dabei helfen ihm die restlichen Darstellerinnen und Darsteller, indem sie ihrerseits in fremde Persönlichkeiten schlüpfen und das Ganze aus deren Sicht reflektieren.
Diese Hilfstruppe agiert in einer Art Märchenwald, in dem alle neutral weiß gekleidet sind (Kostüme: Bettina Zumdick). Räumlich und optisch ist also schon eine klare Abtrennung da. Trotzdem geht alles irgendwann grandios durcheinander. Und zwar im Stakkato. Rotkäppchen und Felix Krull treten auf, Iphigenie kriegt sich mit Hannah Montana in die Haare. Shakespeare macht den Märchenwald zum Sommernachtstraum, und Victor Hugo taucht hinab in die Elendsquartiere von Paris – alles angereichert mit emotionalen Songs, einem rechthaberischen griechischen Chor und Tanzeinlagen von berührend bis brutal (Choreographie: Judith Suermann).
Es ist ein lustvolles Fleddern von Pop-, Volks- und Hochkultur, was das Cactus-Theater hier im Pumpenhaus veranstaltet. Und zuweilen hat man den Eindruck, das Stück funktioniert nach dem alten Garfield-Motto: „Wenn du sie nicht überzeugen kannst, verwirr sie.“ Auch werden die eingangs aufgeworfenen Fragen nach Wahrheit und Lüge nicht wirklich beantwortet. Dafür bekommt man eine bunte und rasante Inszenierung geboten, die das Denken gründlich durcheinanderwirbelt. Theater darf das.
Weitere Aufführungen: 25. bis 28. September im Pumpenhaus